Interview
mit DIRK SCHELPMEIER
BR:
Dirk, du machst fast ausschliesslich Fotos von Musikern - wie kam es
dazu?
DS:
Seit ich 13 bin mache ich Musik, als Gitarrist und Sänger in eigegnen
Bands. ‘87 began ich nebenbei mehr alibimässig Grafik Design
zu studieren, war aber hauptsächlich mit meiner eigenen Musik beschäftigt.
An der FH Bielefeld hatte ich mit einem Dozenten Probleme und war gezwungen
einen Pflichtkurs bei den Fotografen zu belegen. Dort lernte ich das
Einmaleins der Fototechnik und began mich mit der Materie zu beschäftigen.
Dann sah ich die Fotografien von Corbjin und dachte so müssten
unsere eigenen Bandfotos aussehen. Zur gleichen Zeit kamen mir die Cover
von Vaughan Oliver und Dirk Rudolf über den Weg und ich wünschte
mir auch soetwas zu machen. Konkret began es, als ich für das erste
Album meiner Band Maria Perzil alle darauf beteiligten Gastmusiker für
das Cover fotografierte. Einigen gefielen die Bilder so gut, das sie
mich fragten ob ich sie für ihr eigenes Album knipsen konnte.
BR:
Du hast eben Corbjin erwähnt, gibt es weitere Vorbilder?
DS:
Unter den Fotografen schätze ich Cartier-Bresson, Sebastiao Salgado
und Joel Peter Wittkin sehr. Vorbildcharakter hatten aber auch sicher
Albert Watson und Jean Loup Sief und die frühe Bettina Reims.
BR:
Alles typische s/W Fotografen.
DS:
Sicher, die S/W Fotografie ist wohl die Essenz der Fotografie. Dennoch
sollte man das nicht überschätzen. Ein gutes Farbfoto ist
schwerer zu machen. Man muss mehr bedenken und hat später weniger
Einfluss auf das Bild. Bei S/W stehen eine Palette an Filmen, Papieren
und Chemikalien zur Verfügung. Man kann sie tonen, härter
und weicher Abziehen, nachbelichten oder colorieren. Nimm die Bilder
von Corbjin. Sie leben von der Lithtechnik. Würde man sie weicher
und auf normalem Papier abziehen würden sie viel von ihrem Charme
einbüssen. Dagegen ist es schon richtig schwer einen guten Hautton
zu filtern. Darüber hinaus so mit Farben zu arbeiten das sie dem
Bild dienen und nicht in farbliche Effekthascherei zu verfallen.
Es gibt kaum eine Handvoll guter Farbpapiere. Alles muss bei der Aufnahme
und durch die Filmentwicklung gesteuert werden.
BR:
Eingangs erzähltest Du, dass du selber Musiker bist, ist das ein
Vorteil wenn man Bands fotografiert?
DS:
ich denke schon. Das schafft mehr Ansatzpunkte beim Arbeiten. Wichtig
beim Fotografieren ist es eine enge, vertrauensvolle Athmosphäre
zu schaffen. Wenn man dann mal über Gitarrenverstärker fachsimpeln
kann ist das nicht schlecht. Ausserdem habe ich eine sehr komplexe Kenntniss
von der gesamten Branche. Ich weiss wie Plattenfirmen funktionieren,
kenne mich einigermassen im Verlags- und GEMA-Recht aus und es ist mehr
als einmal vorgekommen das ich während der Aufnahmen einer Newcommerband
erklärt habe was die GVL macht und wie man sich dort anmeldet.
BR:
Erzähl uns wie es weiter ging mit der Fotografie nachdem du die
Musiker für euer eigenes Album aufgenommen hattest.
DS:
Wie gesagt, einige wollten Bilder für ihre eigenen CD’s.
Einer davon war der Jazzer Fritz Krisse und der brachte mich über
seine CD mit dem Jazzlabel Laika in Kontakt. Ich war dann für ca.
2 Jahre Hausfotograf und Designer bei Laika. Eine schöne Sache,
denn der Chef Uli Bögershausen ließ mir sehr viel Freiraum
und akzeptierte fast immer meine Entwürfe. Auch kümmern sich
Jazzer oft nicht um ihre Cover, so wird einem nicht ständig reingeredet
und man kann eine Idee wirklich umsetzen ohne faule Kompromisse eingehen
zu müssen. Einige meiner besten Designs stammen aus diesen Zeit.
Parallel machte ich viele Livebilder und Sachen für Hardcorebands
- praktisch als Gegengewicht zu den Jazzern. Allerdings war ich auch
zu der Zeit haupsächlich Musiker und Fotograf im Nebenjob.
BR:
Änderte sich das mit den Guano Apes?
DS:
Als ich die Guano Apes zum ersten Mal traf waren sie eine junge Band
die gerade einen Talentwettbewerb gewonnen hatte. Die Plattenfirma suchte
einen Fotografen der nicht zu teuer war, denn man wusste nicht ob man
mit dieser Art Musik in Deutschland einen Blumentopf gewinnen konnte.
BR:
Das hat sich dann ja schnell herausgestellt
DS:
Es zeigte sich früh, dass die Apes ein überdurchschnittliches
Potential haben, was dann allerdings in den nächsten Monaten abging
bleibt auch im nachhinein ein Wunder. Es hatte aber nicht direkt einen
Rückkopplungseffekt auf mich. Zwar war die Plattenfirma der Apes
sehr zufrieden mit den Bildern und gab mir weitere Jobs woraus eine
recht enge Zusammenarbeit geworden ist. Aber erst Ende 1998 began sich
darüberhinaus das Geschäft für mich deutlich zu beleben.
Ich habe wegen des Engagenets für meine eigene Musik nie viel Werbung
für meine Fotografie gemacht. Alle Jobs kamen über Mundpropaganda.
BR:
Du hast auch für das 2.Album der Apes die Bilder gemacht und sie
auf ihren USA-Touren begleitet. Wird das allmählich für Dich
zum Fulltime Job?
DS:
Eine Band dieser Grössenordnung hat einen enormen Bilderbedarf.
Mit Album und Posterfotos ist es da nicht getan. Zeitschriften wollen
exclusives Material, d.h. sie wählen bestimmte Motive für
sich aus und bestehen darauf, daß ähnliche Motive nicht an
andere Zeitungen weiter gereicht werden. Somit sind ganze Bildstrecken
für gewisse Zeiträume gesperrt. Dann wird plötzlich Bildmaterial
für eine CD-Rom gefordert oder eine Modezeitschrift will ein Bild
auf dem die Sängerin ein ganz bestimmtes T-Shirt trägt. Zum
Veröffentlichungszeitpunkt war ich fast zwei Monate hauptsächlich
damit beschäftigt.
BR:
Wie läuft eine Session in der Regel ab?
Ich
arbeite am liebsten bei Tageslicht, ganz eng mit der Band zusammen ohne
gr. Konzept und Produktionsstab. Dann entsteht am ehesten eine Situation
in der sich die Persönlichkeiten der Porträtierten offenbaren.
Ich denke das ist es was ein Foto stark macht - ein Blick durch die
Oberfläche in die Seelenlandschaft der Leute. Das war es wohl immer
was mich an den Bildern von Corbjin so faszinierte. Bei ihm ist es aber
vorwiegend eine melancholische Stimmung nach der er gesucht hat, ich
bin da weniger festgelegt.
BR:
Nun ist das mit dem Tageslicht ja so eine Sache in Deutschland - wie
arbeitest du im Studio?
DS:
Das ist wahr, das Licht in Deutschland ist ein Katastrophe. Zwischen
Oktober und April braucht man garnicht erst damit rechnen - den Rest
der Zeit hat man Probleme mit dem Regen. Als ich anfing mit dem Fotografieren
hatte ich eine KB Kamera und ein 50mm Objektiv, kein Blitz, kein Stativ,
nichts. Da habe ich gelernt mit dem Licht auszukommen das da ist und
wie man Filme pusht. Inzischen besitze ich einen Lichtkoffer mit drei
Lampenköpfen. Mit dem lässt sich „on Lokation“
wirklich viel realisieren. Ich versuche interessante Räume zu finden
in denen ich arbeiten kann. In den letzten Jahren habe ich sehr viel
auf einem eheml. Militär Fliegerhorst in Detmold gemacht. Wenn
es zu dunkel wurde habe ich ein Notstromaggregat geholt und meine Lampen
angeschlossen. In’s Studio gehe ich nur wenn es aus irgendwelchen
Gründen keine Alternative dazu gibt. Ich mag es wenn die Menschen
die ich fotografiere mit den Orten an die ich sie bringe ein Beziehung
eingehen können. So etwas kann sehr inspirierend sein und dann
ist es immer ein Graus wenn man sagen muss: merk dir den Gesichtsausdruck,
ich muss gerade mal das Licht umbauen.
BR:gibt
es denn dafür keinen Assistenten?
DS:
bei grösseren Produktionen schon, aber das ändert nicht viel
am eigentlichen Problem.
BR:
Welche Vorgaben bekommst Du von den Plattenfirmen.
DS:
Das ist ganz unterschiedlich. Die jenigen, die schon mit mir gearbeitet
haben lassen mir meist alle Freiheiten. Es gibt ein kurzes Gespräch
über die tendenzielle Stimmung die die Fotos transportieren sollen,
auch darüber welches Budget zur Verfügung steht. Bei anderen
Gelegenheiten ist es so, dass ein Marketingtyp oder der Manager der
Band dabei ist, vorher mit Kleidung kaufen geht usw.
BS:
Sag uns bitte mit welcher Ausrüstung Du arbeitest. Immer
noch mit der KB- Kamera?
DS:
KB setze ich fast nur noch live und bei Videodrehs ein. ich besitze
eine Nikon F4 und eine F100. Sonst arbeite ich mit einer Hasselblad,
einer 501 um genau zu seien. Ich wollte 6x6 weil ich da genau auf CD-Format
hinarbeite. Ausserdem sind die Objective wirklich gut, ein40er, 60er,
80er und 150er benutze ich. Man arbeitet konzentrierter im Mittelformat,
und da es immer wieder vorkommen kann, daß von den Bildern Poster
gemacht werden brauche ich Qualitätsreserven für die Vergösserung.
Ausser meinem Lichtkoffer mit 1 x 1000 Watt, 2 x 500Watt und 1 x 250
Watt besitze ich kein weiteres Studioequipement. Falls mal was fehlt
leihe ich es mir.
BR:
und welche Filme benutzt Du?
DS:
Mir scheinen die neuen Portra Filme von Kodak in Bezug auf Peoplefotografie
die besten zu seien, denn sie bringen unter allen Bedingungen die schönsten
Hauttöne.
Bei
S/W halte ich den Tri-x-Pan für den besten Porträtfilm
in der 400er Klasse. Wenn es ums extreme Pushen geht ist ihm allerdings
der HP5 Plus überlegen. Alle anderen Filme habe ich mal ausprobiert
aber keiner hat mich wirklich überzeugt. Man kann aber mit jedem
Material beste Ergebnisse erzielen - es ist eine Frage der Arbeitsweise
und der Gewöhnung.
BR:
digital kommt nicht in Frage?
DS:
Ein Digi-Hasselbladrückteil kostet ca. 20 - 40.000,-, dafür
kann ich viele Filme verarbeiten.
In
ein paar Jahren werde ich aber wohl auch so ein Ding besitzen. Andererseits
- die analoge Fotografie bietet Möglichkeiten die sich digital
nicht nachmachen lassen. Ausserdem liebe ich den Prozess in der Dunkelkammer,
das Handwerkliche beim Belichten und Entwickeln, das Gefühl des
Papiers in den Händen und den Geruch. Auf dem jetzigen Stand der
Entwicklung ist die Digitalefotografie noch eine Verarmung, eine Reduzierung
der Sinnlichkeit.
BR:
aber durch die Computertechnolodie ergeben sich doch auch völlig
neue Möglichkeiten.
DS:
Die stehen mir aber zum grosssen Teil auch nach dem Scannen eines analogen
Bildes zur Verfügung und ich oder die Grafiker die mit meinen Bildern
arbeiten nutzen sie ja auch.
BR:
Spielt das Internet für deine Arbeit eine Rolle?
DS:
Ja, bei der Bildpräsentation bringt es wirkliche Vorteile. Ich
kann mehreren Interessenten meine Bilder gleichzeitig zeigen ohne die
Originale aus dem Haus geben zu müssen, oder Farbkopien anzufertigen
und ich brauch nicht zur Post zu gehen. Auch das Übermitteln von
druckfähigen Daten per ISDN nutze ich reichlich.
Auch
so eine virtuelle Gallerie weiss ich zu schätzen. Früher musste
ich ständig Mappen verschicken. Jetzt gehen die Interessenten erstmal
auf die Seiten und wenn sich dann jemand ganz gründlich überzeugen
will schicke ich ihm eine Mappe.
BR:
In deiner Galerie finden sich auch ein paar Pflanzenstudien, Akte und
Stils. Bist du dabei dein Œuvre zu erweitern?
DS:
Diese Fotos entstehen nebenbei, ohne Konzept. Ich sehe Dinge und bin
angetan von der Ästhetik. Ich sehe das aber durchaus im Hinblick
auf Covergestalltung. Wenn eine Band kommt zu der soetwas passt werde
ich die Bilder vorschlagen - als Stimmungsbilder. Ich habe recht viel
solches Material in meinem Archiv. Leider wird zuwenig liebevolle Arbeit
verlangt. Wenn die Band vorne auf dem Cover gut aussieht ist für
die Plattenfirma der Fisch gegessen. Den Rest dann bitte im Einfarbdruck
um Geld zu sparen. So ist’s halt.
BR:
wir wünschen für die Zukunft alles Gute und bedanken uns für
das Gespräch.